Juni 2018 • mal gelesen

Rechtslexikon

Reiserecht

Erst 1979 wurde das Reisevertragsrecht mit den Paragraphen 651a-m in das BGB eingefügt, um nicht zu sagen verspätet eingeflickt. Seither wird nach nationalen und internationalen Gerichtsurteilen, Rechtsprechungen und Abkommen nachgebessert und gestückelt. Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht eine hohes deutsches Gericht bis hinauf zum BGH Einzelentscheidungen treffen muss.

Das Kleingedruckte

Mangelhafte Erfüllung eines Reisevertrags fordert eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreuden heraus. Doch nicht jeder empfundene Mangel ist einklagbar. Ein Beispiel aus der unübersehbaren Zahl von Möglichkeiten: der "Meerblick".

Steht im Prospekt (Vertrag) Meeresblick, und man sieht vom Balkon des Zimmers zwar fast nur die mehr oder weniger langweiligen Fassaden anderer Hotels, aber dazwischen auch ein wenig Meeresblau, dann liegt kein Mangel vor. Nur bei der Formulierung "unverstellter" ("unverbauter") Blick handelt es sich um einen Mangel.

Der Pool ist leer und die Terassen-Bar geschlossen. Stand im Vertrag eventuell in Klammern oder im Kleingedruckten "saisonal"? Man hat ein 4-Sterne-Hotel gebucht und übersehen, dass es sich um eine Landeskategorie handelt, die bestenfalls wie eine 3-Sterne-Pension erscheint.

Ist "Strandnähe" Vertragsgegenstand, wird es heikel im Sinne von strittig. Sind 500 Meter noch strandnah? Im Vertrag steht, "direkt gegenüber dem Strand", dazwischen liegt aber eine schwer passierbare mehrspurige Schnellstraße, die nicht erwähnt wurde, oder dieser nahe Strand darf exklusiv nur von Gästen eines Luxushotels genutzt werden.

Wo liegen der subjektive und der der einklagbare objektive Mangel? Man hat Vollpension mit der "typischen, traditionellen Küche" gebucht und erhält Tag für Tag nur fade Hühnerfleisch-Gerichte, obwohl ein Fischerhafen in Sichtweite ist und am Markt Lammfleisch angeboten wird. Was dann?

Der Nachweis und Fristen

Nur wortreich formulierte Enttäuschung reicht nicht. Soweit erreichbar muss dem Vertragspartner (dem Reiseveranstalter) die Beschwerde möglichst vor Ort und umgehend schriftlich mitgeteilt werden. Man braucht je nach Fall, Zeugen und Beweisstücke, z.B. Speisekarten. Jeder sichtbare "Mangel" sollte fotografiert werden, möglichst mit Speicherung des Datums.

Wenn eine Klärung vor Ort nicht möglich ist, sollte man sich umgehend nach Ende der Reise an ein Verbraucherbüro oder besser noch an einen Rechtsanwalt für Reiserecht wenden.

Die Fristen für verschiedene Mängelbeschwerden und der Forderung nach Schadensersatz (Rückzahlung von Reisekosten) sind genauso wenig einheitlich wie etwa die Normlisten zur Beurteilung der Mängel (Frankfurter Tabelle, Kemptener Reisemängeltabelle, Würzburger Tabelle zum Reiserecht bei Kreuzfahrten). Im Pauschalangebot kann man ansatzweise erkennen, welchen Stellenwert der einzelne Mangel in Bezug auf den Gesamtpreis hat. Vergleichbare Mängel können daher zu einer Rückvergütung von nur 10 Prozent berechtigen, wie zu mehr als 50 Prozent. Eine vollständige Rückzahlung bleibt aber der Ausnahmefall.

Für Ersatz bei Verspätung wird es besonders kompliziert, da bei einer Pauschalreise nicht der Veranstalter haftet. Außerdem überschneiden sich EU-Recht und internationales Reiserecht (Montrealer Abkommen) und weitere Besonderheiten, wie etwa der Unterschied, ob man mit einer Fluggesellschaft aus der EU oder z.B. aus einer eines arabischen Staat zurückfliegt.

Der Dschungel im Reiserecht kann sich als sehr undurchdringlich erweisen. Empfundene Mängel müssen keinen Anspruch begründen, aber Kleinigkeiten können, vor allem bei sehr teuren Pauschalreisen, zu erheblichen Rückzahlungen führen. Besser einmal mehr gefragt als ungeschickt geklagt.