• Mai 2010

    Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass ein Viertel aller Verletzungen bei Reitunfällen den Kopf betreffen. Damit ist der Kopf bei Reitunfällen der am häufigsten betroffene Körperteil. Bedenkt man, dass etwa die Hälfte der Reiter der analysierten Unfälle entweder keinen Kopfschutz trugen oder diesen schon während des Sturzes verloren haben, zeigt dies, wie wichtig nicht nur das Tragen eines Helmes ist, sondern auch die Notwendigkeit einer guten Passform und der sicheren Befestigung der Kappe durch das Drei-Punkt-System.

    Die Bedeutung der Reitkappe wird durch die haftungsrechtlichen Folgen, die das Reiten ohne Helm nach sich zieht, hervorgehoben.

    1. Haftung des Reitlehrers

    Zu allererst und an vorderster Front haftet bei Reitunfällen, bei dem der Reitschüler ohne Helm geritten ist, immer der Reitlehrer. Denn er hat dem Reitschüler gegenüber das überlegene Wissen oder mit anderen Worten: der Reitlehrer kennt sich gegenüber dem Reitschüler einfach besser aus, er ist schließlich der Profi. Wenn er also nicht dafür sorgt, dass seine Reitschüler einen vernünftigen Helm tragen, dann ist er wegen dieses Unterlassens grundsätzlich schadenersatzpflichtig.

    Aber: Glücklicherweise ist auch jeder - erwachsene - Mensch verantwortlich für sein eigenes Handeln und seine eigenen Entscheidungen, schließlich verfügt jede Person über einen freien Willen. Wer also der Meinung ist, er müsse nicht mit Helm reiten und das Risiko einer Kopfverletzung damit in Kauf nimmt, der muss sich dieses Verhalten später beim Schadensausgleich anrechnen lassen. Mitverschulden nennen das die Juristen.

    Wer nach einem Reitunfall ohne Helm als erwachsener Reitschüler Schadenersatz gegenüber dem Reitlehrer geltend macht, wie z. B. Behandlungskosten, Schmerzensgeld, Fahrtkosten, Verdienstausfall oder Aufwendung für eine Haushaltshilfe, der bekommt aufgrund des eigenen Mitverschuldens eben nur einen Teil dieser Kosten ersetzt. Um wie viel sich dieser Betrag reduziert, kann man nicht pauschal festlegen, da es immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.

    Nun gibt es in unserem Rechtssystem die vielen schönen theoretischen Ansprüche, die jemand gegen einen anderen hat, aber letztendlich ist es für die praktische Durchsetzung wichtig, was man beweisen kann. ?Man bekommt nicht recht, man bekommt ein Urteil!" heißt es so schön im Volksmund. Wer also den Reitlehrer haftbar machen möchte, muss erst einmal nachweisen können, dass er den Reitschüler auf ein für diesen völlig ungeeignetes Pferd gesetzt oder dass er den Reitschüler im Verhältnis zu seinem Ausbildungsstand hoffnungslos überfordert hat. Auch ein Reitlehrer kann im Reitsport nicht alle Risiken ausschließen oder absichern. Darüber muss sich allerdings auch jeder (erwachsene) Reitschüler im Klaren sein: man sitzt eben nicht auf einem Stück Metall sondern auf einem atmenden, fühlenden Lebewesen, das einen eigenen Willen hat und schreckhaft ist. Zwar hat der Reitlehrer grundsätzlich die Pflicht, durch sach- und fachgerechten Unterricht Zwischenfälle - z. B. aufgrund von Überforderung - zu vermeiden, allerdings muss der Reitschüler sich im Zweifel eigenes Mitverschulden anrechnen lassen, wenn er dem Reitlehrer sein Gefühl der Überforderung oder Angst vor der durchzuführenden Übung nicht mitteilt.

    2. Haftung des Tierhalters

    Der Tierhalter - also zum Beispiel der Eigentümer eines von der Reitbeteiligung gerittenen Pferdes - haftet unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft oder nicht, wenn es sich bei dem Pferd um ein "Luxustier" handelt. Verschuldensunabhängig wird das genannt. "Luxustierhalter" ist z. B. der Privatreiter hinsichtlich seines Sportpferdes, der private Hundehalter, der Katzenfreund oder auch der gemeinnützige Reitverein, der seinen Mitgliedern vereinseigene Pferde für den Unterricht zur Verfügung stellt. Der Tierhalter haftet jedoch nur wenn sich die tiertypische Gefahr verwirklicht, also wenn das Pferd scheut, steigt, buckelt. Keine Verwirklichung der tiertypischen Gefahr ist es, wenn das Pferd stolpert und der Reiter sich dadurch verletzt, denn Stolpern ist nicht nur Pferden vorbehalten! Was die grundsätzliche Haftung des Tierhalters betrifft, ist es zunächst egal, ob jemand mit oder ohne Helm geritten ist. Allerdings mindert dieses eigene Mitverschulden wiederum den Schadenersatz- und Schmerzensgeldanspruch gegenüber dem Tierhalter, der für die Risikofreudigkeit des Reiters nicht in voller Höhe aufkommen muss. Bei Tierhaltern, deren Tiere "Nutztiere" sind, also z. B. das Vieh eines landwirtschaftlichen Betriebes oder die Pferde eines Reit- und Ausbildungsstalls, läuft das mit der Haftung ein bisschen anders. Hier findet eine Entlastung statt, nämlich wenn der Tierhalter bei der Beaufsichtigung der Tiere die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder der eingetretene Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

    Mit anderen Worten: Wäre der Reitunfall trotzdem passiert, auch wenn der Reitlehrer noch so vorsichtig war? Wurden die Tiere ausreichend beaufsichtigt? Hierbei kommt es wieder auf die Beweisbarkeit an und das ist im Ernstfall eine große Schwierigkeit für den Anspruchsteller.

    3. "Ich bin doch gut versichert!"

    Ein guter Versicherungsschutz mag beruhigend sein, allerdings tragen die Versicherungen noch lange nicht alles. Reiten ohne Helm gehört zu den Dingen, die auch eine Versicherung nicht gerne sieht. Deren Leistung ist dann entweder erheblich vermindert oder sie leistet in solch einem Fall überhaupt nicht. Sofern der Reitlehrer so vernünftig war, sich ausreichend mit einer Haftpflicht zu versichern, tritt die Versicherung für sein Verschulden bzw. für den auf ihn entfallenden Schaden ein. Dies natürlich nur, wenn sich in den allgemeinen Versicherungsbedingungen keine Einschränkungen oder Ausschlüsse für bestimmte Risiken befinden. Ansonsten zahlt der Reitlehrer selbst. Das kann ihn ruinieren - muss es aber nicht. Möglicherweise muss er für eine sehr lange Zeit den pfändbaren Teil seines Einkommens herausrücken und selbst von dem pfändungsfreien Betrag seinen Lebensunterhalt bestreiten. Das passiert zum Beispiel in einem Insolvenzverfahren. Für den Tierhalter gilt dies übrigens auch. Wenn er keinen Versicherungsschutz hat, zahlt er seinen Anteil, für den er haftet, aus der eigenen Tasche. Für alle in diesem Beitrag genannten Beteiligten - Reitschüler, Reitlehrer, Tierhalter - ist es also nicht nur gesundheitlich sondern auch haftungsrechtlich und aus finanzieller Sicht gesünder, darauf zu achten, dass ein Reiter nur mit Helm reitet.