• Mai 2010

    Der Halter und Fahrer eines Kraftfahrzeuges haftet dem Eigentümer eines Pferdes bei einem Verkehrsunfall grundsätzlich - auf Schadensersatz, sofern der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht wurde. Im Gegenzug ist der Halter eines Pferdes dem Kfz-Eigentümer für die durch sein Pferd verursachten Schäden verantwortlich, so dass die Haftungen beider Halter gegeneinander abzuwägen ist. Dies ist die grundsätzlich geltende Situation, kommt es beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges zu einem Unfall zwischen einem Pferd und einem Pkw oder einem anderen Kfz.

    Es fragt sich jedoch, wie die Haftung des Pferdehalters aussieht, wenn das bei einem Unfall verletzte Pferd dem Erwerb des Pferdehalters dient und diesen am Unfall kein Verschulden trifft. Genau diesen Fall hatte das Landgericht Hannover zu entscheiden.

    Der Kläger in diesem Rechtsstreit war Halter und Eigentümer eines Reitpferdes. Bei einem Verkehrsunfall wurde sein Pferd getötet, weshalb er Schadensersatzansprüche gegen den Autofahrer geltend machte.

    Der Kläger betreibt neben der Landwirtschaft eine Reitschule. Eine Reitschülerin mit mehrjähriger Reiterfahrung machte mit dem Reitpferd des Klägers unter Aufsicht eines Reitlehrers einen Ausritt in das Gelände. Das Pferd machte unverhofft einen Seitschritt, so dass die Reitschülerin vom Pferd herunterfiel. Das Pferd lief darauf hin allein zum Stall des Klägers zurück. Auf dem Rückweg zum Stall kollidierte das Pferd mit dem ihm entgegenkommenden Pkw des beklagten Kfz-Halters. Das Tier wurde erfasst, durch die Luft geschleudert und auf der Stelle getötet. Sattel und Trense waren vollkommen zerstört und konnten nicht mehr repariert werden. Aufgrund des Versterbens des Pferdes fehlte ein Pferd im Schulbetrieb, so dass erst ein Ersatzpferd erworben werden musste.

    Das Landgericht Hannover verurteilte den Kfz-Halter zum Schadensersatz in nahezu vollständiger Höhe, während dem Kfz-Eigentümer wegen des nicht unerheblichen Schadens an seinem Fahrzeug keinerlei Schadensersatzansprüche zugesprochen wurden. Hintergrund dieser Entscheidung war, dass der Beklagte den Nachweis nicht führen konnte, dass der Unfall für ihn unabwendbar war, § 7 StVG a.F. (§ 7 Abs. 2 StVG neue Fassung, die für Verkehrsunfälle nach dem 01.08.02 gilt, spricht von höherer Gewalt, nicht mehr von einem unabwendbaren Ereignis. Für Tierunfälle im "tierfreien" Gelände hat sich durch die Änderung dieser Begriffe nichts geändert). Nach dem StVG kommt eine Ersatzpflicht nur dann nicht in Betracht, wenn der Unfall für den Kfz-Fahrer durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Unfall nicht unabwendbar war, weil es zum Unfallzeitpunkt im Sommer noch nicht so dunkel war, dass die Straße für den PKW-Fahrer schwer einsehbar gewesen wäre. Im Rahmen der Beweisaufnahme erklärte die Beifahrerin des Beklagten, das entgegenkommende Pferd frühzeitig gesehen zu haben. Das Gericht entschied daher, dass der Beklagte bei rechtzeitiger Reaktion den PKW noch hätte zum Halten bringen und der Unfall so hätte vermeiden können. Der Unfall hatte seine Ursache daher nicht in einem typischen tierischen Verhalten des Reitpferdes

    des Klägers, sondern vielmehr in der Unachtsamkeit des Kfz-Fahrers. Für diesen stellte der Verkehrsunfall daher nicht ein unabwendbares Ereignis dar, so dass seine Ersatzpflicht nicht entfallen konnte.

    Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob eine Mithaftung des Klägers als Tierhalter in Betracht kam. Dieses wurde verneint, denn das getötete Reitpferd diente der Erwerbstätigkeit des Landwirts. In § 833 S. 2 BGB ist geregelt, dass eine Ersatzpflicht des Tierhalters ausgeschlossen ist, wenn das Tier der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist und den Tierhalter am Unfall kein Verschulden trifft. Das Gericht erhob daher Beweis darüber, ob das Pferd der Erwerbstätigkeit des Klägers diente, da die Gegenseite dies bestritt und vortrug, der Landwirt nutze das Pferd (auch) privat. Das Landgericht Hannover entschied, dass es für die Feststellung, ob das Pferd der Erwerbstätigkeit diente, auf die allgemeine Widmung des Tieres ankomme; entscheidend sei nicht, ob das Pferd auch für andere Zwecke genutzt wird. Es konnte festgestellt werden, dass das getötete Pferd vornehmlich im Schulbetrieb des Klägers eingesetzt wurde. Ebenfalls ergab die Beweisaufnahme, dass der Kläger bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtete, weil das Pferd bestens für die konkrete Reiterin geeignet war und der Ausritt zusätzlich durch eine fachkundige Reitlehrerin beaufsichtigt wurde.

    Eine Mithaftung des Klägers wurde daher abgelehnt. Das Landgericht Hannover entschied, dass ihm nahezu der gesamte Schaden zu ersetzen sei. Dieser bestand neben dem Wert des Pferdes, welcher durch einen öffentlich bestellten und verteidigten Sachverständigen für Pferdezucht und -Haltung ermittelt wurde, in der Erstattung der Kosten für die Anmietung eines Ersatz-Schulpferdes, bis ein neues erworben werden konnte. Ebenfalls muss der Wertersatz für den zerstörten Sattel nebst Trense sowie eine allgemeine Unkostenpauschale gezahlt werden.

    Beruht der Unfall auf höherer Gewalt, kann eine Ersatzpflicht des Kfz-Halters ausgeschlossen sein. Ebenfalls dann, wenn der Verkehrsunfall vornehmlich auf das Verhalten des Tieres zurückzuführen ist, beispielsweise dann, wenn eine Schreckreaktion des Tieres zu dem Unfall führt und der Kfz-Führer dem Tier nicht ausweichen kann. Gegebenenfalls sind auch die Verschuldensbeiträge gegeneinander abzuwägen. Hier ist dann eine entsprechende Quote zu bilden.

    Rechtsanwältin Iris Müller Klein, Thedinghausen

    www.pferderecht-von-a-z.de

    Hier geht es zum Kanzleiprofil.