
Januar 2006
Was ist zu tun, wenn sich ein Schüler während des Unterrichts oder der Pausen verletzt?
Eltern, deren Kinder sich im Rahmen des (Sport-/Schul-)Unterrichts, der Pausen oder auf dem Schulweg verletzen, stellen sich vor allem Fragen nach der rechtlichen Verantwortlichkeit des Täters und/oder des Aufsichtsführenden.
Dabei sind verschiedene Fallgruppen zu unterscheiden. Zunächst stellt sich im Rahmen der Haftung die Frage, durch wen der sog. Haftungstatbestand erfüllt worden ist.
Allgemeines
zur Haftung
Haftung bedeutet das Einstehenmüssen für einen
verursachten Schaden.
In Betracht kommen im schulischen Bereich drei Gruppen:
Schüler
Für Schüler gelten die allgemeinen zivilrechtlichen
Haftungsgrundsätze. Vor Vollendung des 7. Lebensjahres
ist niemand deliktsfähig und für einen Schaden,
den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.
Zwischen dem 7. und dem 18. Lebensjahr ist er nur dann verantwortlich,
wenn er bei der Begehung die notwendige Einsichtsfähigkeit
hat. Beurteilt wird dies anhand der intellektuellen Einsichtsfähigkeit
; der Täter muss also die Gefährlichkeit seines
Tuns erkennen und sich der Verantwortung dessen bewusst
sein. Maßgebend sind in jedem Fall die Umstände
des Einzelfalls, insbesondere das Alter und die geistige
Entwicklung.. Erforderlich ist weiterhin, dass der Täter
schuldhaft gehandelt hat, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit
gegeben ist. Vorsatz wird definiert als das Wissen und Wollen
des rechtswidrigen Erfolges; Fahrlässigkeit ist die
Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.
Lehrer
Lehrer haften vor allem für die Verletzung ihrer Aufsichtspflicht
nach den Grundsätzen der so genannten Amtshaftung.
Für Schäden, die infolge von Aussichtspflichtverletzungen
entstehen oder einem Dritten gegenüber verursacht werden,
haftet nicht der Lehrer selbst, sondern das jeweilige Land
als Anstellungskörperschaft. Lehrer können demnach
nicht unmittelbar in Anspruch genommen werden.
Für Personenschäden tritt die
gesetzliche Unfallversicherung ein. Nur in besonderen Fällen
kommt ein Rücktrittsrecht des Landes/des Trägers
der Unfallversicherung in Betracht. Dafür müssen
dem Lehrer allerdings eine vorsätzliche oder grob fahrlässige
Behandlung nachgewiesen werden. Grobe Fahrlässigkeit
liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt unter Umständen
des Einzelfalles verletzt worden ist.
Volljährige Schüler sind im Grundsatz für
sich selbst verantwortlich; aber dennoch ist eine –
reduzierte – Wahrnehmung der Aufsichtspflicht erforderlich.
Schule
Eine Haftung der Schule kann beispielsweise aus § 823
BGB gegeben sein, wer die Sicherungspflichten verletzt und
wo. In Betracht kommt z. B. die nicht ordnungsgemäße
Beschaffenheit des Schulgebäudes, des Schulhofes, von
Spielgeräten etc.
Allgemeines
zur Aufsichtspflicht
Da den Eltern während der Schulzeit die unmittelbare
Einwirkungsmöglichkeit entzogen ist, tragen die Schulbehörden,
die Schulleitung und die Lehrkräfte die Verantwortung
für die Beaufsichtigung der Schüler. Die Eltern
als Erziehungsberechtigte vertrauen während der Zeit
des Unterrichts ihre Kinder der Schule an; daraus resultiert
ein Anspruch darauf, dass die Aufsichtspflicht entsprechend
sorgfältig wahrgenommen wird. Dabei ist darauf hinzuweisen,
dass ein 100-prozentiger Schutz der Schüler nicht möglich
ist.
Es ist die Pflicht der Lehrer, die ihm anvertrauten Schüler
zu beaufsichtigen, Schaden von ihnen abzuwenden und Straftaten
zu vermeiden. Die Aufsichtspflicht muss dabei kontinuierlich
präventiv und aktiv erfolgen.
Welche Maßnahmen im Einzelfall zu ergreifen sind,
richtet sich nach Alter und Entwicklungsstand der Schüler
sowie den Umständen der konkreten Situation.
Auch ein bisher bekanntes Verhalten, beispielsweise ein
bekanntes Gewaltpotenzial eines Schülers, kann Anlass
zu konkreten Maßnahmen geben.
Die Aufsichtspflicht muss nicht nur während der Stunden
und Pausen, sondern auch während schulischer Veranstaltungen
(Wandertage, Klassenreisen etc.) wahrgenommen werden.
Verletzungen der Aufsichtspflicht können
Amtshaftungs- bzw. Schadenersatzansprüche der Geschädigten
begründen. In Betracht kann auch eine strafrechtliche
Verantwortlichkeit, z.B. wegen einer fahrlässigen Körperverletzung,
kommen.
Voraussetzung ist allerdings stets, dass dem Aufsichtspflichtigen
ein vorwerfbares Fehlverhalten nachgewiesen werden kann.
Ist dies gelungen, kommen u.U. auch disziplinarrechtliche
Maßnahmen in Betracht.
Verletzen sich beispielsweise Schüler
während der Pausen gegenseitig, so werden die dadurch
entstandenen Heilbehandlungskosten durch die gesetzliche
Unfallversicherung übernommen (und nicht über
die Krankenkasse abgerechnet), wenn eine entsprechende Schadensanzeige
ausgefüllt wird. Diese bekommen Eltern im Schulbüro.
Ob daneben noch zivilrechtliche Schmerzensgeldansprüche
geltend gemacht werden sollen und/oder eine Strafanzeige
in Betracht kommt, ist allein anhand der Umstände des
Einzelfalls zu entscheiden.
Die gesetzliche Unfallversicherung tritt also immer dann
ein, wenn bei einem Unfall der sog. räumliche und zeitliche
Zusammenhang zur Schule oder einer schulischen Veranstaltung
gegeben ist.
Sanktion
der Schule
Schule kann zur Erfüllung und Sicherung ihres Bildungs-
und Erziehungsauftrages Schulordnungsmaßnahmen (früher
Schulstrafen genannt) gegen den Täter verhängen.
Die Schulgesetze sehen dafür eine Reihe von Maßnahmen
vor, wobei der sog. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
zu beachten ist. Ordnungsmaßnahmen kommen dann in
Betracht, wenn pädagogische Maßnahmen für
nicht ausreichend befunden werden. In Betracht kommen beispielsweise
ein Verweis oder der Ausschluss vom Unterricht. Für
die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme sind verschiedene
Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften einzuhalten.
Generell lässt sich sagen, dass, je schwerer das Fehlverhalten
des Schülers ist, desto schärfer die zu verhängende
Ordnungsmaßnahme sein muss. So rechtfertigt ein wiederholtes
Fehlverhalten und/oder gar Gewalt mittels einer Waffe gegen
Mitschüler den Ausschluss vom Unterricht über
mehrere Tage.
Zumeist entscheidet die Klassenkonferenz nach Anhörung
der Beteiligten und der Eltern.