• Mai 2012

    Bald beginnt die schönste Zeit des Jahres – der Urlaub. In diesem Sommer ist das beliebteste Flugreiseziel Spanien, gefolgt von der Türkei, Bulgarien und Griechenland. Damit Sie Ihren Urlaub genießen können und der Frust nicht schon am Flughafen beginnt, ist es wichtig, folgende Pflichten und Rechte zu kennen.

    Auslandsreisen mit Kindern

    Ab dem 26. Juni 2012 benötigt jedes Kind ab der Geburt für Auslandsreisen ein eigenes Reisedokument. Das gilt auch für Reisen innerhalb der Europäischen Union. Ein Reisedokument kann ein Kinderreisepass oder ein Personalausweis sein. Welches Dokument Sie brauchen, hängt vom Reiseziel ab. Einige Länder, wie die Vereinigten Staaten, verlangen einen Reisepass mit elektronischem Chip. Ein normaler Kinderreisepass genügt nicht. Anders ist die Lage innerhalb der EU: Ein Kinderreisepass oder ein Personalausweis ist ausreichend.

    Kindereinträge im Reisepass der Eltern verlieren ihre Gültigkeit und berechtigen das Kind nicht mehr zum Grenzübertritt. Der Grund für diese neue Pflicht ist eine EU-weite Verordnung: Aus Sicherheitsgründen muss demnach grundsätzlich jeder Bürger einen Pass haben.

    Tipp: Bis zur Erstellung eines Reisepasses mit elektronischem Chip vergehen einige Wochen. Deshalb sollten Sie schnell einen solchen Reisepass beantragen. Der normale Kinderreisepass wird in der Regel sofort vom Amt ausgestellt.

    Ihre Rechte am Flughafen

    Falls sich der Flug um mehr als drei Stunden verspätet oder sogar gestrichen wird, haben Passagiere Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zwischen 250 und 600 Euro (abhängig von der Entfernung des Reiseziels und der Dauer der Verspätung).

    Die Ausgleichszahlung haben alle Reiseanbieter zu zahlen, egal ob es sich um Linien-, Charter- oder Billigflüge handelt. Ein Fluggast hat ein Recht auf diese Zahlung bei Verspätungen, Überbuchungen und Flugannullierungen. Doch wie sieht es bei technischen Defekten aus? Das Amtsgericht Rüsselsheim hat entschieden, dass auch im Falle einer Verspätung wegen eines technischen Defekts Flugpassagieren die Ausgleichszahlung zusteht. (AZ: 3 C 1552/11)

    Eine Ausgleichszahlung muss die Airline allerdings nicht zahlen, wenn sich der Flug aufgrund außergewöhnlicher Umstände verspätet, wie etwa bei Terrorwarnungen. Ebenso muss die Fluggesellschaft nicht zahlen, wenn sie rechtzeitig die Fluggäste informiert hat, etwa per Brief oder E-Mail.
    Übrigens haben Passagiere neben der Ausgleichszahlung Anspruch auf Essen, Getränke (in der Regel geschieht das über Gutscheine) und eine Hotelübernachtung, falls das Flugzeug erst am nächsten Tag abhebt. (EU-Fluggastrechteverordnung).

    Tipp: Lassen Sie sich die Flugverspätung am Flughafen vom Personal schriftlich bestätigen. Heben Sie Ihre Flugtickets und Bordkarten auf. Sowohl die vom verspäteten bzw. abgesagten Flug als auch die vom neuen Flug. Auf beiden Papieren befinden sich die Abflugzeiten. So können Sie später die Dauer der Flugverspätung nachweisen.


    Verloren gegangenes Gepäck

    Wenn Passagiere den Flug überstanden haben, aber vergeblich auf das Gepäck warten, ist der Ärger groß. Allein auf europäischen Flughäfen gehen täglich über 10.000 Koffer verloren. Allerdings gelangen 95 Prozent der Koffer innerhalb weniger Stunden wieder zu ihrem Besitzer. In vielen Fällen ist das Gepäck einfach wegen der Sicherheitsvorkehrungen länger unterwegs. Doch welche Rechte haben Passagiere, wenn ihr Gepäck verspätet eintrifft oder sogar für immer verschwindet?

    Falls ein Koffer verloren geht oder der Inhalt stark beschädigt wird, ist die Fluggesellschaft bzw. der Reiseveranstalter zu Schadenersatz verpflichtet. Die Höchstgrenze liegt bei 1300 Euro.

    Allerdings kann der Schadenersatz im Einzelfall auch höher sein. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Fluglinien nicht nur gegenüber der Person haften, die ein Gepäckstück aufgibt, sondern in bestimmten Fällen auch gegenüber weiteren Geschädigten. In dem konkreten Fall ging es um eine Reisende, die in einer Tasche sowohl ihre Golfausrüstung als auch die Golfschläger ihres Freundes transportierten ließ. (BGH Az. X ZR 99/10)

    Falls Gepäck im ordnungsgemäßen Zustand etwas verspätet am Reiseziel eintrifft, muss die Airline für Einkäufe am Urlaubsort zahlen, die wegen der Verspätung benötigt werden. Passagiere sollten allerdings nur notwendige Dinge kaufen und nicht erwarten, dass Luxusartikel (wie teures Parfüm, Markendesignerjeans oder Pelzmäntel) erstattet werden.

    Tipp: Bewahren Sie die Quittungen auf.


    Das Interview zum Thema
    mit Rechtsanwalt Boris Narewski

    Rechtsanwalt Boris Narewski aus Berlin ist Experte auf dem Gebiet des Reiserechts. Er hat zahlreiche Mandanten auf dem Gebiet des Reiserechts und speziell des Fluggastrechts vertreten.

    1. Herr Narewski, Fluggesellschaften müssen keine Ausgleichszahlungen bei außergewöhnlichen Umständen leisten, wie bei Terrorwarnungen. Wie verhält es sich bei Naturkatastrophen, wie bei Vulkanausbrüchen? Viele erinnern sich noch an die Aschewolken, die von Island aus wochenlang den europäischen Luftverkehr behinderten.

    Rechtsanwalt Narewski: Der Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ wird von der Rechtsprechung eng ausgelegt. Naturkatastrophen wie Hurrikans oder Vulkanausbrüche mit entsprechenden Aschewolken zählen allerdings dazu. Auch politische Unruhen, Terroranschläge und akute Terrordrohungen gehören dazu. Diese Vorkommnisse werden regelmäßig als Fälle höherer Gewalt gewertet, die der Fluggesellschaft nicht angelastet werden können. Grundsätzlich gilt aber: Verweigert die Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung und beruft sich hierbei darauf, dass außergewöhnliche Umstände vorgelegen haben, muss sie diese auch darlegen und beweisen können. Hinzu kommt, dass die Fluggesellschaft nachweisen muss, alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen zu haben, um eine Flugannullierung/-verspätung trotzdem zu verhindern. Einige Fluggesellschaften versuchen, Ausgleichszahlungen durch einen mehr oder weniger pauschalen Verweis auf das Vorliegen ungewöhnlicher Umstände abzuwehren – damit würde ich mich nicht abspeisen lassen, sondern konkrete Nachweise anfordern.
    2. Habe ich als Fluggast ein Recht auf eine Ausgleichszahlung, wenn bei der Fluglinie gestreikt wird?

    Rechtsanwalt Narewski: Bei Streiks kommt es darauf an, ob die Fluggesellschaft darlegen und beweisen kann, dass ihr keine zumutbare Möglichkeit blieb, den Streik abzuwenden oder auf den Streik entsprechend zu reagieren (etwa durch Beschaffung von Ersatzpersonal). Hatte sie keine entsprechende Möglichkeit, besteht auch kein Anspruch auf Ausgleichszahlungen. Dass der Fluggesellschaft keine zumutbare Möglichkeit blieb, den Streik abzuwenden oder hierauf zu reagieren, wird jedoch bei Streiks innerhalb der Fluggesellschaft selten der Fall sein. Hier lohnt es sich, bei der Fluggesellschaft genau nachzuhaken.
    3. Welche Rechte hat ein Fluggast generell bei einem Streik?

    Rechtsanwalt Narewski: Wie eben dargestellt, kann auch bei einem Streik ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen bestehen, wenn sich der Flug streikbeding verzögert oder ausfällt. Es besteht in jedem Fall ein Anspruch auf Unterstützungs- und Betreuungsleistungen. Unter Betreuungsleistungen zählen etwa der Anspruch auf angemessene Mahlzeiten und Erfrischungen, bei einem Ersatzflug erst am nächsten Tag auch die Hotelunterbringung und der Transfer. Unter bestimmten Umständen, etwa einer erheblichen Verspätung, besteht auch die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten und eine Erstattung des Ticketpreises für die noch nicht abgeflogene Strecke zu verlangen. Wahlweise kann auch (soweit möglich) der Rückflug zum Abflugort oder eine anderweitige Beförderung zum Ziel verlangt werden.
    4. Laut Luftfahrtbundesamt gibt es pro Jahr rund 5000 Beschwerden von Passagieren gegenüber den Fluggesellschaften. In der Regel geht es um verspätete oder gestrichene Flüge. An wen wendet sich der Fluggast, wenn die Airline nicht auf die Forderungen des Passagiers eingeht? Gibt es eine offizielle Schlichtungsstelle?

    Rechtsanwalt Narewski: Eine entsprechende Schlichtungsstelle ist zwar von der Bundesregierung geplant, derzeit gibt es aber keine solche Stelle, an die sich die betroffenen Fluggäste wenden können. Geht die Airline nicht auf die entsprechenden Forderungen des Passagiers ein, empfehle ich daher, der Airline den Sachverhalt genau zu schildern, den Ausgleichsanspruch etc. zu beziffern und eine konkrete Zahlungsfrist zu setzen (etwa 3-4 Wochen). Zahlt die Fluggesellschaft hierauf nicht und nennt auch keine nachvollziehbaren Gründe hierfür, befindet sie sich in Verzug. Nun besteht die Möglichkeit, einen Anwalt mit der Durchsetzung der Ansprüche zu beauftragen – die damit verbundenen Kosten muss dann die Airline dem Betroffenen grundsätzlich als Verzugsschaden erstatten, er erhält also die Anwaltskosten von der Fluggesellschaft zurück.


    Herr Narewski, vielen Dank für das Interview.
    Mehr über RA Narewski erfahren Sie in seinem Kanzleiprofil

    Foto: Robert Wilson - Fotolia.com