• März 2014

    In den Fällen der notwendigen Verteidigung, § 140 StPO, hat das Gesetz schon die Mitwirkung eines Verteidigers im Strafverfahren bestimmt.

    Sollte man nun in allen anderen Fällen auf die Beauftragung eines Verteidigers verzichten, immerhin kann man ja maximal eine Freiheitsstrafe von einem Jahr erhalten?

    1. Fehlende Objektivität

    Jeder von einem Rechtsstreit Betroffene ist emotional stark belastet und in einer Hauptverhandlung auch noch meist nervös. Der fehlende Abstand zum Verfahren wirkt sich regelmäßig negativ auf die Beurteilungsfähigkeit aus. Der Strafverteidiger ist hier der professionell agierende Dritte und wird das Verfahren objektiv beurteilen und seinem Mandanten ebenso beraten.

    Entsprechend wird schon dem Jurastudenten beigebracht, dass sich ein Rechtsanwalt möglichst nicht selbst verteidigen solle.

    2. Akteneinsicht nur mit Verteidiger

    Einsicht in die Verfahrensakten wird nur einem Verteidiger gewährt, da die Justiz die Befürchtung hat, dass ein Beschuldigter seine Verfahrensakte vernichten würde. Eine Verteidigung ohne Verfahrensakte oder auch eine entsprechende Beratung bezeichne ich als Stochern im Nebel. Der Beschuldigte kennt nur seine subjektive Sicht der Dinge, aber nicht die Beweismittel in der Akte. Ohne Kenntnis der Aussagen anderer Zeugen kann der Beschuldigte erst in der Hauptverhandlung reagieren, in der Regel zu spät. Das Planen einer sinnvollen Taktik, wie zum Beispiel der Verzicht auf eine Einlassung, kann ohne Aktenkenntnis nicht erfolgen.

    3. Gesetzeskenntnis des Strafverteidigers

    Der Strafverteidiger kennt nicht nur die Gesetze, sondern auch die Kommentierung von Rechtsprechung und wissenschaftlicher Literatur. Der Beschuldigte wird allein im Zweifel das Prozessrecht nicht nutzen können, sondern ist hier auf die Kenntnis des Strafverteidigers angewiesen.

    4. Strafverteidiger, Staatsanwalt und Gericht befinden sich Augenhöhe

    Es ist zwar wohl nicht rechtmäßig, aber trotzdem allgemeine Praxis, dass Gerichte bei unverteidigten Angeklagten schnell über deren Köpfe entscheiden. Einen besonders prägnanten Fall hatte ich einmal in der Berufungsinstanz übernommen, nachdem die damals unverteidigte Angeklagte in der ersten Instanz regelrecht von der Richterin überfahren worden war. Es grenzte schon an Rechtsbeugung, dass das Gericht nicht einmal Ansätze zu einer Ermittlung des Sachverhaltes machte. Das fehlende Geständnis wurde rechtswidrig als strafverschärfend im Urteil gewertet. In der zweiten Instanz gelang es mir, mittels mehrerer Beweisanträge aufzuzeigen, dass die Belastungszeugen Falschaussagen gemacht hatten. Ein rechtsmedizinisches Gutachten zeigte dann auf, dass der von der Anklage geschilderte Geschehensablauf nicht der Realität entsprach. Am Ende kam es zum Freispruch und zur Eröffnung von Verfahren wegen falschen Verdächtigung und uneidlicher Falschaussagen gegen die Anzeigenerstatter und Belastungszeugen.

    5. Gemeinsame Gesprächsbasis

    Juristen sprechen die gleiche Sprache und kennen sich auch meist aus anderen Verfahren. Strafverfahren werden oft durch Absprachen außerhalb des Gerichtssaals beendet, wobei Richter und Staatsanwälte solche Absprachen in der Regel nur mit Strafverteidigern treffen. Staatsanwälte und Gerichte sind in Deutschland überlastet, da die Justiz als Stiefkind von der Politik behandelt wird. Dementsprechend sind Richter und Staatsanwälte bemüht Akten schnell von ihren Schreibtischen zu bekommen und auch zu einem Nachgeben in gewissem Umfang bereit, wenn ihnen ein Verteidiger ein akzeptables Angebot macht.

    6. Vor dem Urteil – Nach dem Urteil

    Wie schon in einem Artikel beschrieben, hat der Angeklagte das letzte Wort und kann mit guter Beratung dabei noch einiges erreichen oder ohne Beratung vieles falsch machen. Wenn Sie von einem Strafverteidiger im Verfahren begleitet werden, wird dieser ein Schlussplädoyer halten und objektiv, aber parteiisch zu Ihren Gunsten den Sachverhalt würdigen und die Rechtslage bewerten.

    Sofern Sie verurteilt werden, kann der Strafverteidiger Sie über die Erfolgsaussichten von Berufung oder Revision beraten und Ihnen eventuell nicht notwendige Ausgaben ersparen.

    7. Tipps

    Oft kommen Mandanten zu spät zu mir, bei größeren Verfahren erst nach Anklageerhebung, wobei der Strafverteidiger schon viel im Ermittlungsverfahren erreichen und auch verhindern kann. Mandanten versuchen sich durch offene Aussagen bei der Polizei zu helfen und verschaffen der Polizei damit unter Umständen die einzigen Beweismittel im Verfahren.

    Sofern Sie keinen Strafverteidiger mit Ihrer Vertretung beauftragen wollen oder können, so sollten Sie sich wenigstens eine Beratung leisten. Wer auch auf die Beratung verzichtet, zahlt mit großer Wahrscheinlichkeit an anderer Stelle zu.

    Rechtsanwalt Malte Höpfner

    Allee der Kosmonauten 28

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