• Oktober 2012

    Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes 1 StR 618/98 vom 30.07.1999 ist immer noch aktuell, auch wenn sie in der Zwischenzeit einige Ergänzungen und Fortentwicklungen erfahren hat. Sie gibt aber einen grundlegenden Überblick über die methodischen Anforderungen an ein Glaubwürdigkeitsgutachten.

    1. Das entscheidende Grundprinzip besteht in der Nullhypothese. Danach soll der Gutachter so lange in seiner Prüfung davon ausgehen, dass eine Aussage unwahr ist, bis diese Hypothese mit den Fakten nicht mehr vereinbar ist. Erst dann kann er von einer wahren Aussage ausgehen. Zur wissenschaftlichen Vorgehensweise gehören die Bildung von Hypothesen und die Prüfung dieser Hypothesen an den Fakten. Im behandelten Fall hatte der Gutachter die Möglichkeit negiert, dass die Zeugin Erinnerungslücken konstruktiv geschlossen haben könnte. Gerade aber eine solche Lückenfüllung gehört zur normalen Vorgehensweise des menschlichen Gehirns.

    2. Der Gutachter soll ausschließlich methodische Mittel anwenden, die dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen.

    Zu solchen Methoden gehören zum Beispiel nicht die Deutung von Tintenklecksbildern, die Verwendung von Penispuppen und anderen anatomisch korrekten Puppen, die Ausdeutung von Kinderzeichnungen oder das Auspendeln von Ergebnissen.

    Im Rahmen einer Inhaltsanalyse soll der Gutachter „die Angaben des Begutachteten unter Heranziehung bestimmter Kriterien (z.B. logische Konsistenz, quantitativer Detailreichtum, raum-zeitliche Verknüpfungen, Schilderung ausgefallener Einzelheiten und psychischer Vorgänge, Entlastung des Beschuldigten, deliktsspezifische Aussageelemente) auf ihre inhaltliche Konsistenz“ prüfen.

    Der Bundesgerichtshof fordert eine kritische Überprüfung des gefundenen Ergebnisses im Wege der Konstanz-, der Fehlerquellen- sowie der Kompetenzanalyse. Die Entstehung und Entwicklung der Aussage muss aufgeklärt werden (Aussagegenese), wenn (auch unbewusste) fremdsuggestive Einflüsse in Erwägung zu ziehen sind.

    „Mit der Kompetenzanalyse ist zu prüfen, ob die Aussage etwa durch Parallelerlebnisse oder reine Erfindung erklärbar sein könnte. Dazu bedarf es der Beurteilung der persönlichen Kompetenz der aussagenden Person, insbesondere ihrer allgemeinen und sprachlichen intellektuellen Leistungsfähigkeit sowie ihrer Kenntnisse in Bezug auf den Bereich, dem der erhobene Tatvorwurf zuzurechnen ist. Bei Sexualdelikten wird daher grundsätzlich die Durchführung einer Sexualanamnese in Betracht zu ziehen sein. Dies gilt zumindest bei Zeugen, bei denen - etwa aufgrund ihres Alters - entsprechendes Wissen nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann.“

    Die Begutachtung und die erzielten Ergebnisse sollen nachvollziehbar und transparent dargestellt werden. Die diagnostischen Schlussfolgerungen müssen vom Sachverständigen nachvollziehbar aufgezeigt werden, so durch die Benennung und Beschreibung der Anknüpfungs- und Befundtatsachen. Auch der Weg zu den Ergebnissen soll überprüfbar sein.

    Ich kann nur empfehlen, sich in solchen Fällen fachkundige anwaltliche Hilfe zu suchen.

    Rechtsanwalt Malte Höpfner

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