• April 2016

    Die anhaltend niedrigen Zinsen haben Bausparverträge zu einer attraktiven Geldanlage gemacht. Die vergleichsweise hoch verzinsten Altverträge werden allerdings für die Bausparkassen zum Problem. Die Folge: Tausende Bausparer erhalten die Kündigung ihrer zuteilungsreifen Bausparverträge. Dass diese Kündigung nicht immer rechtmäßig ist, stellte das Oberlandesgericht Stuttgart jetzt fest (Az.: 9 U 171/15).

    Der Fall, den das OLG Stuttgart verhandelte, ist ein typisches Beispiel für die derzeitige Kündigungswelle bei Bausparverträgen. Eine Bausparerin hatte 1978 einen Bausparvertrag über umgerechnet rund 20.500 Euro bei der Wüstenrot Bausparkasse abgeschlossen. Für die Laufzeit war ein Guthabenszinssatz von 3 Prozent p.a. und ein Bauspardarlehenszinssatz von 5 Prozent p.a. vereinbart. 1993 trat die Zuteilungsreife ein. Die Frau stellte daraufhin die regelmäßige Zahlung ihrer Sparraten ein, nahm das Bauspardarlehen aber nicht in Anspruch. Nachdem die Bausparkasse dieses faktische Ruhen des Vertrags jahrelang geduldet hatte, erhielt die Bausparerin 2015 die Kündigung des Vertrags. Die Bausparsumme war zu diesem Zeitpunkt auf rund 15.000 Euro angewachsen, also noch nicht vollständig angespart.

    Die Bausparerin wehrte sich erfolgreich gegen die Kündigung des Bausparvertrags. Die Kündigung sei unberechtigt erfolgt, urteilte das OLG Stuttgart. Die Bausparkasse könne sich nicht auf ein gesetzliches Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen, nachdem sie ihr vertragliches Kündigungsrecht nicht genutzt habe. Denn sie hätte es selbst in der Hand gehabt, den Vertrag zu kündigen. Stattdessen habe sie das Ruhen des Vertrags geduldet, obwohl der Bausparer verpflichtet sei, seine Regelsparbeiträge bis zur erstmaligen Auszahlung der Bausparsumme zu zahlen. Der Zeitpunkt der Zuteilungsreife spiele keine Rolle. Das OLG Stuttgart hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

    Rechtliche Einschätzung der Kanzlei Kreutzer, München: Das Urteil der OLG Stuttgart dürfte Bausparer aufatmen lassen und zeigt, dass die Bausparkassen zuteilungsreife aber noch nicht voll angesparte Bausparverträge nicht so ohne weiteres kündigen können. Nachdem besonders erstinstanzliche Gerichte bislang häufig zu Gunsten der Bausparkassen entschieden haben, könnte dieses Urteil nun für eine Trendwende sorgen. Zumal es auch durchaus zweifelhaft ist, ob das gesetzliche Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei Bausparverträgen überhaupt anwendbar ist. Es kann sich also durchaus lohnen, gegen die Kündigung des Bausparvertrags vorzugehen. Letztlich wird eine endgültige Entscheidung aber wohl der BGH treffen müssen.