• Oktober 2010

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuell veröffentlichten Urteil (Aktenzeichen: I ZR 172/08, Urteil vom 18. März 2010) zu der Frage Stellung genommen, wann das Führen von ausländischen Titeln in Deutschland als wettbewerbswidrig anzusehen ist.

    I. Zum Sachverhalt

    In dem entschiedenen Fall hatte eine in NRW ansässige Zahnärztin in Österreich den Titel ?Master of Science Kieferorthopädie" erworben und im Rahmen ihrer Internetpräsentation diesen Titel verwendet. Zwei Zahnärzte aus der Nachbarstadt, die selbst den Titel ?Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" führten, haben dies als wettbewerbswidrig angesehen und die Kollegin deshalb abgemahnt. Die Zahnärztin hat keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Das LG Kleve hat der Klage stattgegeben, das OLG Düsseldorf einen Unterlassungsanspruch verneint. Die Revision zum BGH hatte keinen Erfolg, da die Richter das Führen des Titels nicht als wettbewerbswidrig ansehen.

    II. Die Entscheidung

    1. Die Bundesrichter haben zunächst einen Unterlassungsanspruch aufgrund §§ 4 Nr. 11, 3 Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb (UWG) verneint. Nach § 3 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. In § 4 UWG sind einzelne Beispieltatbestände für wettbewerbswidrige Handlungen aufgeführt. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt wettbewerbswidrig, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Diese Fallgruppe wird ?Vorsprung durch Rechtsbruch" genannt. Wird also gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßen, muss zuerst geprüft werden, ob es sich (zumindest auch) um eine Marktverhaltensregelung handelt. Hier haben die Kläger Verstöße gegen § 33 und § 35 Abs. 1 Satz 1 Heilberufsgesetz NRW und gegen § 12 der Berufsordnung der Zahnärztekammer geltend gemacht. Diese Vorschriften regeln die Voraussetzungen, unter denen die Facharztbezeichnungen und andere anerkannte Berufsbezeichnungen geführt werden dürfen. Da sie die Selbstdarstellung des Zahnarztes betreffen und sich unmittelbar auf die Werbemöglichkeiten auswirken, handelt es sich um Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Nach Ansicht des BGH hat die Zahnärztin durch das Führen des Titels ?Master of Science Kieferorthopädie" nicht gegen diese Vorschriften verstoßen.

    Es handelt sich um einen in Österreich anerkannten Titel, den die Zahnärztin wegen eines zwischen Österreich und Deutschland getroffenen Abkommens über die Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich auch in Deutschland führen durfte. Ein Verstoß gegen die Berufsordnung lag ebenfalls nicht vor, da sie keinen Titel geführt hat, welcher dem deutschen Titel ?Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" zum Verwechseln ähnlich ist. Demnach war der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG nicht erfüllt.

    2. Weiter hat der BGH auch das Vorliegen einer Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 UWG verneint. In § 5 UWG ist der allgemeine Irreführungstatbestand geregelt. Danach handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Zu den irreführenden Handlungen gehören nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 UWG auch unwahre Angaben über die Befähigung oder den Status des Unternehmers sowie seine Zulassung. In Ausnahmefällen kommt jedoch auch eine Irreführung durch eine objektiv richtige Angabe in Betracht, wenn sie bei den angesprochenen Verbrauchern gleichwohl zu einer relevanten Fehlvorstellung führt. In diesem Fall ist aber ein höherer Irreführungsgrad erforderlich. Zusätzlich ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht nimmt hier zwar eine eventuelle Fehlvorstellung durch die objektiv richtige Verwendung des Titels ?Master of Science Kieferorthopädie" an, kommt aber zu dem Ergebnis, dass die Interessen der Verbraucher hier nicht das Interesse der Zahnärztin an dem Führen des Titels überwiegen. Aufgrund der bekanntermaßen bestehenden Vielfalt an Titeln sei es dem Verbraucher zuzumuten, sich über die Bedeutung des Titels zu informieren. Die Verbraucherinteressen seien nur unwesentlich berührt. Im Ergebnis hat der BGH daher auch einen Unterlassungsanspruch wegen Irreführung verneint.

    III. Fazit

    Im Zuge der Europäisierung des Bildungswesens (Stichwort: Bologna-Prozess) werden immer mehr ausländische Titel und Abschlüsse verliehen. Aber auch im Inland können zunehmend weitere Titel, die nicht den ?klassischen" Titeln entsprechen, erworben werden. Da zusätzliche Titel eine nicht zu unterschätzende Werbewirkung bei zunehmender Konkurrenz haben, gibt es häufig Streitigkeiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von diesen zusätzlichen Titeln. Die einzelnen berufsrechtlichen Vorschriften, in denen der Erwerb und das Führen von Titeln geregelt sind, können im Allgemeinen als marktverhaltensbezogene Regelungen bewertet werden, so dass sich ein Verstoß als wettbewerbswidrig gemäß § 4 Nr. 11 UWG darstellt.

    Wer einen ausländischen Titel erwirbt, sollte sich darüber hinaus erkundigen, ob es Abkommen gibt, welche das Führen des ausländischen Titels im Inland regeln. Eine wettbewerbswidrige Handlung kann aber auch wegen einer Irreführung gemäß § 5 UWG vorliegen. Hier kommen nicht nur irreführende Titel in Betracht, sondern ganz allgemein auch irreführende Hinweise auf Spezialisierungen und Tätigkeitsschwerpunkte. Allerdings muss auch hier differenziert werden: So hat das OLG Schleswig zum Beispiel entschieden, dass ein Zahnarzt mit dem ?Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie" werben darf, obwohl es eine geschützte Bezeichnung ?Facharzt/Fachärztin für Kieferorthopädie" gibt (Urteil vom 3. Februar 2004, Az. 6 U 36/03).

    In jedem Fall ist Vorsicht bei der konkreten Gestaltung der Werbung mit Titeln oder Spezialisierungen geboten.