November 2015
In Fällen von Produktpiraterie sind Banken unter Umständen verpflichtet, Auskunft über Namen und Anschrift von Kontoinhabern zu geben. In einem Urteil vom 21. Oktober 2015 folgte der Bundesgerichtshof (BGH) damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Das Konto – häufig einzige Spur beim Kampf gegen Produktpiraterie
Produktfälschungen und Markenverletzungen finden heute zunehmend über das Internet statt. Unternehmen, Detekteien und spezialisierte Rechtsanwälte für Markenrecht können durch gezielte Recherche solche Markenfälschungen im Internet finden. In der Praxis stehen sie dann jedoch häufig vor dem Problem, dass die Verkäufer von Plagiaten nicht identifiziert werden können. Einziger Anhaltspunkt bei eBay und anderen Online-Verkaufsportalen ist regelmäßig die Kontonummer zur Entrichtung des Kaufpreises. Daher liegt es nahe, dass Anwälte für Markenrecht dann bei der Bank Auskunft ersuchen, um gegen die Täter vorzugehen.
So war es auch in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall von Produktpiraterie. Ein Verkäufer bot eine Produktfälschung von „Davidoff Hot Waer“ bei eBay an. Die rechtmäßig Lizenznehmerin verlangte von der kontoführenden Sparkasse Auskunft über Namen und Anschrift des Verkäufers. Das Kreditinstitut verwies jedoch auf das Bankgeheimnis, so dass ein Anwalt des Lizenznehmers Klage einreichte.
Spannungsverhältnis zwischen Markenrecht und Bankgeheimnis
Dieser Klage wurde in erster Instanz vor dem Landgericht stattgegeben, das Oberlandesgericht kassierte die Entscheidung jedoch. Die Sache landete beim BGH, der sie wiederum dem EuGH vorlegte. Es sollte die Frage geklärt werden, ob das Auskunftsgesuch im Falle der Produktpiraterie der EU-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums unterfalle. Der EuGH führte dazu aus, dass eine Ausgestaltung des Bankgeheimnisses, dass eine unbegrenzte und bedingungslose Auskunftsverweigerung ermögliche, gegen die EU-Richtlinie verstoße.
Der BGH musste daraufhin prüfen, ob die deutschen Vorschriften zum Bankgeheimnis derart weitreichend sind. Er kam dabei zur Auffassung, dass das deutsche Markenrecht so auszulegen sei, dass eine Bank sich bei Produktfälschungen nicht auf das Bankgeheimnis berufen dürfe, wenn das Koto für den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde. Das Grundrecht des Markeninhabers auf Schutz des geistigen Eigentums müsse in diesen Fällen vor dem Grundrecht des Kontoinhabers auf Schutz der persönlichen Daten zurücktreten.
Rechtlicher Hintergrund
§ 19 Markengesetz (MarkgenG) regelt den Auskunftsanspruch des Inhabers einer Marke. Hierzu steht das in § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verankerte Bankgeheimnis im Spannungsverhältnis. Streitentscheidend war Art. 8 Abs. 3 Buchst. E der Richtlinie 2004/48/EG. Der Bundesgerichtshof löste den Fall durch die unionsrechtskonforme Auslegung der deutschen Vorschriften zum Markenrecht und zum Bankgeheimnis.