• August 2004

    Die steigende Arbeitsbelastung in der Medizin und das kritischer werdende Bewußtsein der Patienten führen immer wieder zu Auseinandersetzungen darüber, ob ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt.

    Gegenstand des Arzthaftungsrechts sind im Wesentlichen Schadensersatzansprüche, die für die Folgen von Behandlungsfehlern geltend gemacht werden. In den meisten Fällen geht es dabei um Schmerzensgeld, Verdienstausfall, Pflegekosten, Haushaltshilfen etc. sowie um die Abwehr unberechtigt geltend gemachter Behandlungs- und Krankenhauskosten.

    Zu unterscheiden ist zwischen der vertraglichen und der deliktischen Haftung.

    Die vertragliche Haftung beruht darauf, daß der Arzt Pflichten, die ihm aufgrund des Behandlungsvertrages obliegen, verletzt, während die deliktische dann eingreift, wenn der Arzt den Körper oder die Gesundheit des Patienten rechtswidrig und schuldhaft verletzt.

    Der Ersatzanspruch eines Patienten setzt voraus, daß eine rechtswidrige Schadenszufügung vorliegt, daß der Arzt schuldhaft gehandelt hat und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem ärztlichen Fehler und der eingetretenen Schädigung besteht.

    Jeder körperliche Eingriff stellt im rechtlichen Sinn eine Körperverletzung im Sinne von § 223 StGB dar. Rechtmäßig und damit straffrei ist ein solcher Eingriff, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

    • begründete Indikation;
    • Sachgerechte, sorgfältige, schonende Ausführung des Eingriffs;
    • umfassende, sachgemäße Aufklärung des Patienten;
    • Einwilligung des Patienten.

    Folgende Voraussetzungen müssen für die erfolgreiche Geltendmachung von Ansprüchen erfüllt sein:

    Es muss sich um eine körperliche Schädigung handeln, die im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung entstanden ist. Im Todesfall können die Angehörigen Ansprüche haben.

    Der Arzt muss schuldhaft einen Behandlungsfehler begangen haben. Das trifft nach der Rechtsprechung immer dann zu, wenn vorsätzlich oder fahrlässig gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der medizinischen Wissenschaft verstoßen wurde.

    Es muss ein materieller oder immaterieller Schaden nachgewiesen werden.

    Im Einzelnen:

    1. Rechtswidrige Schädigung

    Eine rechtswidrige Schädigung ist immer dann anzunehmen, wenn das Verhalten des Arztes nicht im Einklang mit geltendem Recht steht, also keine medizinische Indikation vorliegt, der Eingriff nicht lege artis durchgeführt wurde und nicht von der ausdrücklichen oder mutmaßlichen Einwilligung gedeckt ist.

    2. Verschulden des Arztes

    Ein ärztlicher Fehler hat nur dann haftungsrechtliche Konsequenzen, wenn die Schädigung des Patienten in vorwerfbarer Weise, also schuldhaft erfolgte. In erster Linie kommt fahrlässiges Verhalten in Betracht.

    Dieses wird immer dann angenommen, wenn die erforderliche Sorgfalt nicht eingehalten worden ist, wenn also ein durchschnittlicher Arzt den Fehler hätte vermeiden können.

    Verwirklicht sich bei einem kunstgerecht durchgeführten, medizinisch indizierten Eingriff ein typisches Risiko, so wird ein Verschulden des Arztes in der Regel verneint.

    Auch wenn die Frage des Verschuldens im Einzelfall zu klären ist, gilt der Grundsatz, daß das Maß der erforderlichen Sorgfalt mit dem Grad der Gefährlichkeit des Eingriffs, der Art oder dem Grad der Anfälligkeit des Patienten ansteigt.

    Sorgfältiges Verhalten bedeutet auch, daß der Arzt sein Wissen und Können dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft anpassen und er sich laufend fortbilden muss.

    3. Ursächlicher Zusammenhang

    Voraussetzung ist weiterhin, daß der Nachweis geführt werden kann, daß der eingetretene Schaden auf dem ärztlichen Fehler beruht.

    Dazu muß zu einen feststehen, daß die Schädigung des Patienten ohne den Behandlungsfehler nicht eingetreten wäre. Darüber hinaus muß das Verhalten geeignet sein, einen Schaden der Art zu verursachen. Der Arzt hat also nur für adäquate, also nicht für völlig unwahrscheinliche Folgen seiner Fehler einzustehen.

    4. Umfang der Haftung

    Bei einer fahrlässigen Verletzung seiner Pflichten aus dem Behandlungsvertrag hat der Arzt die materiellen Schäden zu ersetzten, die durch den Fehler adäquat verursacht worden sind.

    Unter Schaden wird die Einbuße an geschützten Rechtsgütern verstanden. Im vertraglichen Bereich kann jedoch nur die Einbuße an Vermögen geltend gemacht werden, Kosten für weitere Heilbehandlungsmaßnahmen, Verdienstausfall etc..

    Im Rahmen der deliktischen Haftung kann der Geschädigte ein Schmerzensgeld fordern. Dabei geht es um den Ausgleich immaterieller Nachteile. Neben der Ausgleichsfunktion kommt dem Schmerzensgeld auch eine Genugtuungsfunktion zu.

    Zur Beantwortung der Frage, ob tatsächlich ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt, ist folgendes zu klären:

    1. Ist die Behandlung nach allgemeinen Erfahrungen, also fachgerecht, ausgeführt worden, war der eingetretene Verlauf voraussehbar, war die angewandte Methodik der Regel entsprechend (lege artis)?

    2. Wer war an den Maßnahmen beteiligt, war die Überwachung des Patienten gewährleistet, wurden die unmittelbaren Folgen des Eingriffs fachkundig gewertet?

    3. Wurde der Ablauf der Maßnahmen lückenlos dokumentiert, liegen alle notwendigen Befunde und Aufzeichnungen vor?

    4. War der Patient adäquat aufgeklärt, wußte er auch von anderweitig möglichen Maßnahmen oder von Spezialisten und Einrichtungen, die dem gegebenen Ziel anders hätten gerecht werden können?

    5. Kann ein kausaler Zusammenhang zwischen ärztlichem Eingriff und nachfolgendem Behandlungsschaden "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nachgewiesen werden?